Flucht im Morgengrauen

Heiteres Erlebnis um ein entlaufenes Schwein in Grünwettersbach

Wie jeden Morgen seit einigen Wochen, so auch am zurückliegenden Freitag zwischen fünf und sechs Uhr, ehe er zur Arbeit in die Stadt ging, machte sich ein Grünwettersbacher Feierabendbauer, dessen Name hier unerwähnt bleiben soll, daran, neben seinem übrigen Kleinvieh auch das Schwein zu füttern, um sich daran anschließend anderen Arbeiten im Haus, die für den weiteren Tag noch vorerledigt werden mussten, zuzuwenden. In der Eile

, oder aus welchen Gründen auch immer, wurde nach getaner Fütterung die Stalltüre nicht richtig verschlossen, so dass das störrische und ohnehin etwas freiheitsliebende Vieh wenig später — zunächst noch unbemerkt — in den offenen Hof und dann auch gleich auf die Straße trottete. Ein einziger lautstarker Grunzer war dann das einzige vernehmbare, und weg war das Schwein, noch ehe der Besitzer, endlich darauf aufmerksam geworden, wusste, wohin das junge Borstentier sich abgesetzt hatte. Inzwischen aber drängte die Zeit: es war schon sechs Uhr geworden und in zehn Minuten fährt drunten im Dorf der Bus ab. Die Zeit reichte gerade noch, um die Dorfgasse hinunter und wieder zurück zu hetzen; jedoch das Schwein war nirgends zu erblicken gewesen. Was tun? Der Schwiegersohn, eben erst dem Bett entkrochen und absolut noch nicht voll auf Draht, wurde mit dem nach Hilfe» klingenden Ruf: „De Sau isch fort" aus der Wohnung getrommelt und musste jetzt herhalten, die weitere Suche aufzunehmen. Dieser hatte mehr Glück, denn er bog unten im Dorf, gleich hinter dem Rathaus, in die richtige Seitenstraße ein, in die sich das Tier geflüchtet hatte und wo es grunzend und schnaubend umherstrieb, während die dortigen Anwohner sich schon eifrig von Nachbar zu Nachbar mühten, zu erkunden wem das Schwer wohl gehöre. Inzwischen war besagter Schwiegersohn hinzugekommen und unter der Mithilfe einer beherzten Frau, die einen Strick zur Verfügung stellte, konnte man des Viehes, das einem in aller Frühe schon in Aufregung versetzte, habhaft werden.

Teils schiebend, teils zerrend traten Jäger und Gejagte den Heimweg an; doch wenige Me­ter vor dem Stall machte das Vieh, das die letzten Schritte recht folgsam gelaufen war, plötzlich kehrt und wollte wieder talwärts — mit aller Gewalt und lautem Geschrei, so als wäre sein letztes Stündlein gekommen. Erst nachdem ein weiterer Bewohner des Hauses hinzu­gekommen war, gelang es mit vereinten Kräften, mit Stuben und Stößen das von der Hatz müde und außer Atem gekommene Tier, das vor Aufregung noch die Straße benetzte und den Hof mit gewiss nicht wohlriechenden braunen Tupfen bekleckerte, in seine vier Wände zu sperren, wo es sich mit lauten Schnaufern von der überstandenen Strapaze erholte, während sich der Fänger nach einem Seufzer der Erleichterung den Schweiß von der Stirn wischte.

Es muss ein Tag der offenen Tür gewesen sein; denn just einige Stunden später sah man eine Straße weiter oben einen jungen Mann hinter einer entwichenen Ziege herhetzen, die er erst nach einigen Runden um einen Holzhaufen wieder einfangen konnte.   
(Günther Löffler)


Quelle: Diese Geschichte wurde entnommen aus dem Festbuch der Freiwilligen Feuerwehr Grünwettersbach "Zum 50jährigen Jubiläum 18. bis 25. Mai 1974, von Günther Löffler. Mit freundlicher Genehmigung der Freiwilligen Feuerwehr Wettersbach.